Aus den Schatten

Eine Kurzgeschichte

Die Wesen aus den Schatten sind schwarz wie die Nacht.
Sie knurren und fauchen wie ein Panther und sehen vom Körperbau aus wie einer und bewegen sich auch so. Doch ihre Augen sprechen eine andere Sprache: Sie sind dunkel und blicken treu wie die Augen eines Pferdes, denen man in ihre sanfte Seele schaut.
Sie lieben die Dämmerung. Sie kommen, wenn die Schatten schwärzer als das Licht sind und nur dann erscheinen sie - entweder um dich zu jagen oder um dich zu beschützen. Letzteres ist selten.
Wenn sie dich jagen, schleichen sie sich durch die Schatten an dich heran, du siehst es fast gar nicht. In den Augenwinkeln siehst du manchmal vielleicht eine schwarze Silhouette zucken, doch dann ist es schon zu spät und mit einer Mischung aus einem Fauchen und Knurren fallen sie dich an. Es ist ein grässliches Geräusch und wenn man es einmal gehört hat, brennt es sich ins Gedächtnis wie die untergehende blutrote Sonne.
Ich hatte zwei von diesen Wesen.

Das Erste traf ich in einem Park. Ich spazierte mit einer guten Bekannten entlang. Sie mit ihrem Begleiter im Gepäck. Wir bogen gerade in eine Kurve eines besonders grünen Abschnitts des Parks, als es aus dem Gebüsch sprang. Wir bekamen Panik und rannten flüchtend weiter den Weg entlang, doch der Schatten war schneller und griff mich von dem Hüttendach des Parkeingangs an. Ich weiß nicht mehr genau, was ich tat, doch ich schaffte es das Wesen sowohl zu beruhigen, als auch sein Vertrauen zu gewinnen. Meine Parkbegleitung war überrascht, dass das Wesen mich so schnell ins Herz schloss. Es kam und verschwand in den Schatten, wann immer ich es brauchte oder das Schattentier es wollte.
Das Zweite Wesen begegnete mir auf meinem Heimweg. es sprang aus den Schatten und griff mich mit diesem widerlichen Geräusch, dieser Mischung aus Fauchen und Brüllen an. Ich weiß nicht wieso, aber ich knurrte zurück, zeigte ihm, dass ich keine Angst vor ihm hätte. Das irritierte es. Mein erster Begleiter kam und stellte sich schützend neben mich. Es sollte vermutlich zeigen, dass von mir weder Gefahr ausging, noch dass ich eine Art Beute war. Das Wesen kam mir näher. Es war zunächst zurückhaltender, schloss mich dank des ersten Begleiters aber auch schnell ins Herz.
Mit beiden Schatten auf meiner Seite brauchte ich weder das Licht, noch die Dunkelheit fürchten. Bei Gefahr waren sie da, wenn ich alleine war, kamen sie und leisteten mir Gesellschaft. Die Anderen in meinem Umfeld schätzten mich, denn ich hatte zwei der in ihren Augen bedrohlichsten Wesen als meine treuen Begleiter. Ich glaube, irgendwo hatte Meinesgleichen auch Angst vor mir.

Ich weiß, dass ich ihnen Namen gab, aber ich kann mich nicht mehr erinnern, wie sie hießen. Ich vergaß ihre Namen mit dem Aufwachen, aber sie passten zu ihren Wesenszügen. Ihre Namen klangen wie gute Freunde oder alte Bekannte, die man nach langer Zeit mit Freude in die Arme schließt.

 

Ich wünsche mir so sehr ich könnte mich an ihre Namen erinnern oder sie noch einmal sehen. Aber vielleicht war der Traum auch irgendwo eine andere Wirklichkeit. Eine Wirklichkeit, die in diese hier übergreift und sie sind stets bei mir, warten in den Schatten darauf, dass ich sie sehe und erkenne oder wenigstens rufe. Doch ohne die Erinnerung an ihre Namen werde ich das vermutlich nie können.
Die Wesen aus den Schatten nennt man hier wie etwas, das wie eine Mischung aus etwas Gutem und Schlechtem klingt. Wechsler? Bälger? Ich weiß es nicht mehr.  Schattenbälger, ich glaube so nannte man sie. Und vielleicht warten sie in der nächsten Dämmerung bereits auf dein Kommen.