Das Monster

Eine Kurzgeschichte

Ich sah mich hektisch um.

Lange war ich schon mitten durch die Dunkelheit der Nacht gerannt, sodass mir das Wasser nur so das Gesicht herunter lief. Ich hatte Angst; wusste nicht wohin ich noch rennen sollte. Das Monster, das mich schon seit einiger Zeit verfolgte, war noch immer zu hören. Ich wusste nicht was es wollte oder warum es mich verfolgte. Ich wollte jedoch nur eines: Es schleunigst loswerden. Mit seinem keuchenden Atem und dem gekrümmten Schatten, den es durch eine schwache Straßenlaterne warf, konnte ich es bereits an der nächsten Ecke erahnen. Viel schlimmer jedoch war, dass es meinen Namen rief. Anfangs war es leise und schon eher sanft gewesen, bis es nun schon zu einem eindringlichen und wütendem Schnauben und Brüllen geworden war.

"Sarah!", knurrte es laut, deutlich und schnaubend, als es um die Ecke kam. Das R rollte es unmissverständlich stark, sodass es besonders bedrohlich klang.
Ich rannte wieder los.

Die Gassen waren verworren und schmal, sowie auch sehr dunkel. Ich kümmerte mich nicht um den Müll, der hier herum lag. Ich schlug entweder Haken um die Hindernisse, die er darstellte oder sprang herüber. Ich nahm eine Abzweigung nach links, dann eine nach rechts, dann zwei geradeaus und wieder eine nach Links. Das Monster war noch immer zu hören. Mal war es leiser, mal war es lauter und damit näher. Ich erhöhte meine Laufgeschwindigkeit, wusste aber nicht, wie lange ich das noch durchhalten konnte. Ich war mir nicht sicher, aber so lange und viel war ich noch nie in meinem Leben zuvor gelaufen.

Ab und an stolperte ich, taumelte gegen die Gassenwand, fing mich auf und stieß mich wieder ab, um weiterlaufen zu können. Über den Punkt, dass meine Lungen brannten und mir die Beine schmerzten, war ich schon lange hinaus. Jetzt konnte ich nur noch laufen und laufen und laufen. Eine Straßenkatze kreuzte meinen Weg und ergriff bei meinem Anblick erschrocken die Flucht. Was zur Hölle konnte das Monster nur von mir wollen? Was um alles in der Welt hatte ich gemacht, um über so eine lange Strecke verfolgt zu werden? Zwischen meinem Zuhause und dem Punkt, an dem ich nun angekommen war, lagen nun bestimmt schon über fünf Kilometer. Dennoch ließ das Monster nicht von mir ab. Ich konnte und wollte mir auch nicht ausmalen, was das Ungeheuer mit mir machen würde, wenn es mich erwischte.

Ich rannte wieder etwas schneller; schlug wieder ein paar andere Wege ein, als sich die Gassen kreuzten.
Sackgasse.
Ich fluchte. Was sollte ich nun machen? Ich war ganz allein, verschluckt von der Dunkleheit. Das Monster würde jeden Moment hier sein. Sein Knurren und Brüllen war schon aus größerer Entfernung zu hören. Es hallte von den Gassenwänden und klang dadurch umso grauenhafter. Die Panik in mir erreichte einen neuen Rekord. Da sah ich ihn wieder: Den Schatten, der sich langsam aufbaute und näher kam.

"Sarah," knurrte es. "Oh Sarah, Sarah, Sarah." Das Geräusch, das das Monster machte, war unerträglich.

Es kam um die Ecke.
Ich erkannte es: Es war mein Vater.

 

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